Die Dame mit Hut nimmt den Hut
Zum 20. Jubiläum des Kunstmarkts verabschiedet sich Initiatorin Gerlinde Berger
Chapeau und Gratulation! Der Anziehungspunkt „Kunstmarkt“, mitten aus der Kunstszene Hersbrucks entsprungen, feiert seinen zwanzigsten Geburtstag. Fünfzehn hochkarätige Kunst-Gäste haben sich die zwölf Mitglieder des legendären Hersbrucker Künstlerstammtischs dazu eingeladen. Am Samstag und Sonntag, den 18. und 19. November füllen alle gemeinsam das Stadthaus vom Erdgeschoß bis unter die Dachbalken, die Sitzungszimmer der Parteien nicht ausgenommen.
Auch eine Institution wie der Kunstmarkt, der Sparten wie Bildhauerei, Keramik, Malerei, Schmuck, Textil, Fotografie und Glas unter einem Dach zu vereinen vermag, hat einmal klein angefangen. Silberschmiedin Gerlinde Berger, die man selten ohne eine elegante Kopfbedeckung antrifft, lud in ihrem Atelier in der Turngasse am Ende der Arbeitswoche zu einem Gläschen Sekt und Gesprächen darüber, wie man die Künstler Hersbrucks zusammen bringen und ihre Kunst sichtbar machen könne. Anna M.Scholz, die für viele zur Kunst-Mentorin wurde, schaute regelmäßig vorbei und auch Kunstschaffende Edith Roth brachte Ideen ein. Hier wurde die Saat für den Künstlerstammtisch gelegt, der viele Jahre im „Roten Ochsen“ zum Austausch zusammenkam - und hier liegen auch die Wurzeln für den Kunstmarkt. Denn auf der Suche nach einem Ort, an dem viele gleichzeitig ihr Schaffen zeigen konnten, blieb Gerlinde Berger immer wieder beim Stadthaus am Schlossplatz hängen. Der schöne Altbau hat Atmosphäre und viele Räume und Winkel, wo Skulpturen, filigraner Schmuck und großformatige Gemälde gleichermaßen gut präsentiert werden können. Der damalige Bürgermeister Wolfgang Plattmeier konnte Gerlinde Bergers Frontalangriff nicht lange widerstehen: „Wir haben ein Konzept, wir machen alles selber und es darf nichts kosten!“. Hausmeister Helmut Linhard zeigte sich zunächst skeptischer, und: „Er ist der Chef, ihn müsst ihr fragen!“, schränkte Plattmeier seine Zusage ein. „Künstler!!!“, war zunächst Linhards entgeisterte Reaktion und er stellte ein rigides Regelwerk auf, um „sein“ Stadthaus vor dem Ansturm der Kreativen zu schützen. „Keinen Nagel in die Wand, keinen einzigen!“, forderte er und warnte gleich vor: „Leid, ich kann euch fei sagen - ich bin ned da!“. Gerlinde Berger hatte derweil andere Sorgen. Für die ersten Auflagen des Kunstmarkts musste um Teilnehmer regelrecht gebettelt werden, denn wo Kunsthandwerkermärkte in der Vorweihnachtszeit gang und gäbe sind, war ein Kunst-Markt noch eine unbekannte Größe. Doch die erste Auflage der Werkschau ging reibungslos über die Bühne, das Geschirr wurde mitgebracht und von Hand gespült, am Montag nach der Premiere 2001 war das Stadthaus wieder voll einsatzfähig. Linhard zeigte sich überrascht und erfreut. Seitdem gab es ein großes Entgegenkommen von Seiten der Stadt, das die aufwändigen Vorbereitungen angenehmer machten. Das Geschirr stellt inzwischen die Stadt und nach und nach wurden die Sitzungszimmer der Parteien aufgesperrt - denn nach dem Erfolg des Events standen die Interessenten für eine Teilnahme Schlange. Seitdem besteht zu den Nachfolgern Linhards im Amt des Hausmeisters und zum Bürgermeister immer ein herzliches Verhältnis.
Der Reiz, der den Kunst-Markt ausmacht, liegt in seiner Vielfalt. Es gibt behagliche Ecken, wo Teelichter in hauchdünnen Porzellangefäßen flackern, es gibt minimalistische Skulptur-Schwergewichte und originelle Lichtobjekte, Buchbindekunst und Textil. Jüngere und ältere Künstlerinnen und Künstler präsentieren Seite an Seite ihr Schaffen und helfen sich am Stand gegenseitig aus.
Der Kunstmarkt als winterlicher Termin bekam einen kongenialen sommerlichen Gegenpol in den Künstlerfesten im Hof des „Roten Ochsen“. Dort wurde mit Performances, Live-Skulpturen, Trommeln und Kunst aller Sparten den Hersbruckern gezeigt, wie Kreative feiern.
Dieter Serfas, der Gerlinde Berger stets treu unterstützt hat und zunächst als „Schlepper und Fahrer“ vollen Einsatz brachte, kam über den Kunstmarkt selbst ins Kunst-schaffen und ist mit seinen Objekten aus Recyclingmaterialien inzwischen eine feste Größe. Er erinnert sich fast wehmütig an das erste Mal: Kunsterzieher Ulf Geer hatte Holzspielzeug-Unikate gefertigt und mit seiner Familie musiziert, Horst Sauber zog mit einem Bauchladen zwischen Kunstmarkt und Kunstmuseum hin und her, um Kunstinteressierte von A nach B zu geleiten. Geers Kinder sind inzwischen erwachsen, Diakon Horst Sauber verstorben. Über die Jahre musste sich die Künstlergemeinschaft von einigen Mitstreitern der ersten Stunde verabschieden, wie etwa Fridolin Weis, Ulrich Quiske, Anna M. Scholz, Paul Nodnagel und Omar Gomez Rey.
Die Liste der Namen änderte sich, die Qualität blieb gleichbleibend hoch. Kleine oder große Aufreger gab es immer wieder. Anna M. Scholz löste mit grafischen Arbeiten zu Kriegsthemen Debatten aus, Fridolin Weis sorgte mit Aktfotos für Diskussionen. Jörg Giesselmann, dessen Werke derzeit im K5 in der Kirchgasse posthum zu sehen sind, stellte einmal nur zwei Großformate aus - und hatte eins in der ersten halben Stunde des Markts verkauft.
Der Kunstmarkt wurde nach und nach zum festen Termin im Kalender der Kunstfreunde der Region. So wurden einst 500 Flyer gedruckt und verteilt, inzwischen sind es 2000. Gerlinde Berger sieht den Erfolg des Formats im Engagement des Künstlerstammtisches und der Treue des Hersbrucker Publikums. „Sie kamen und sie kauften!“, fasst Gerlinde Berger zusammen, sie, die inzwischen das Vertrauen der Stadtoberen hat und am Wochenende Mitte November die Schlüsselgewalt über die große Immobilie innehält. Und was wird nun, wenn die Dame mit Hut nach zwanzig Jahren die Zügel aus der Hand gibt? „Es geht weiter, die Nachfolge ist gesichert!“, versichert Gerlinde Berger. Die Hersbrucker, die sich auf den Kunstmarkt für exklusive Geschenke und Originale für den eigenen Wohnraum verlassen, atmen auf.
Der Kunstmarkt findet im Stadthaus am Schlossplatz am Samstag, den 18.November von 11 bis 18 Uhr und am Sonntag, den 19. November von 10 bis 17 Uhr statt. Die Offizielle Eröffnung im Beisein von Bürgermeister Robert Ilg findet am Samstag um 14 Uhr statt.
Mitwirkende sind: Gina Bauer, Gerlinde Berger, Walburga Herrmann, Kornelia Klonen, Agathe Meier, Dieter Serfas, Bernd Wagner, Inge Weis, Ruth Wittmann, Federica Burzi, Cornelia Effner, Barbara Henning, Angelika Krauß, Evelyn Hesselmann, Reinhard Netter, Gisela Nürnberger, Uli Olpp, Susanne Praetorius und Thomas Scherer, Ute Plank, Gabi Richter, Alena Scharrer, Heinz Thurn, Werner Tögel, Sebastian und Florimel Wartha, Reiner Zitta.
2010 feiert der Künstlerstammtisch das 10-jährige Jubiläum des Kunstmarkts. Heuer ist der zwanzigste Geburtstag.
(Fridolin Weis, Manfred. , Walburga Herrmann, Agathe Meier, Bernd Wagner, Kornelia Klonen hinten, Gina Bauer, Inge Weis, Dieter Serfas, Gerlinde Berger, Ruth Wittmann vorne)