Liebe Künstlerinnen und Künstler, liebe Kunstfreunde
Ihre Vorsitzende, Anita Magdalena Franz, hat mich um die Festrede zur Eröffnung der 95. Jahresausstellung des Bundes Fränkischer Künstler gebeten. Einwichtiger , ein traditionsreicher Verein mit einem exzellenten Ruf, einer Agenda und einer Fülle an hochkarätigen Kunstwerken, die auch 2024 wieder die Stärke fränkischen Kunstschaffens belegen. Es ist mir eine Ehre, hier heute sprechen zu dürfen.
Anita hat mir den Inhalt dieser kleinen Rede völlig frei gestellt und Sie dürfen heute von mir keine kunstgeschichtliche Abhandlung erwarten, sondern ein paar persönliche Betrachtungen zum (regionalen) Kunstbetrieb. Lassen Sie sich von meinen umherstreunenden Gedanken nicht irritieren, ich verspreche Ihnen, es gibt einen roten Faden!
Mein Name ist Ute Plank, ich bin selbst auch Malerin, habe hier, ebenso wie mein Vater Walter Plank, auch schonBilder eingereicht und kenne die Abläufe des Kunstschaffenden-Lebens, den Rhythmus, den wiederkehrende Ausstellungen den Jahreszeiten hinzufügen: die Auswahl eines geeigneten Werkes, das Einreichen der benötigten Unterlagen, das Warten auf die Antwort, ob es ein- oder ausjuriert worden ist und vielleicht sogar ganz am Anfang das Erschaffen eines Werks zu einem ganz spezifischen Thema.
Seit die Coronapandemie so einige unserer Selbstverständlichkeiten auf den Kopf gestellt hat, denke ich viel über diese Mechanismen von Kunstausstellungen nach.
2020, als die Pandemie noch im ersten Schwung war, wurde mir angeboten, eine von mir praktisch fertig vorbereitete Ausstellung ohne Vernissage einfach laufen zu lassen. Ich habe abgelehnt, weil ich wusste, dass die Schau dann kaum Beachtung finden würde und ich ganz sicher nichts verkaufen würde. Sie alle haben damals vielleicht Ähnliches, wahrscheinlich auch Dramatischeres erlebt, ich war zu der Zeit dankbar, dass ich nicht meinen Lebensunterhalt mit Kunstverkäufen bestreiten muss. Viele waren nicht so privilegiert.
Vor einigen Wochen ist mein Professor an der Laufer und Nürnberger Kunstakademie, Hans-Peter Reuter, wegen seiner fast hyperrealistisch gemalten ultramarinblauen gefliesten Räume bekannt als der „Kachel-Reuter“, verstorben. Zusammen mit KommilitonInnen, die ich seit Ende des Studiums nicht mehr gesehen hatte, habe ich auf sein erfolgreiches Künstlerleben mit großen Ausstellungen zurückgeblickt - und auf die Bemerkungen, die er bei Klassenbesprechungen gemacht hat und die uns hängengeblieben sind.
Die Frage „Was bleibt?“ Oder „Was bringt mein Kunstschaffen?“ wird sich auch Ihnen vielleicht schon gestellt haben, wenn Sie Ihr Werk wieder einmal von einer Ausstellung abgeholt haben und „nichts passiert“ ist.
Hans-Peter Reuter hat oft nur halb im Scherz gesagt, ein Gemälde, eine Skulptur, eine Zeichnung, habe an der Wand eines Museums maximal drei Sekunden Zeit, um das Interesse eines durch die Ausstellung schlendernden Gastes zu wecken, so dass er stehen bleibt und einen zweiten Blick riskiert. Auch wenn das etwas harsch klingt, ist etwas Wahres dran. Wer schon mal durch ein Museum gelaufen ist, das so eine Überfülle präsentiert, dass man unmöglich alles würdigen kann, kennt den raschen inneren Auswahlprozess, der weitgehend unbewusst stattfindet.
Gleichermaßen geisterte damals die Aussage durch die kunst-akademische Welt, man dürfe niemals der Versuchung erliegen, seine Werke zu erklären. „Kunst erklärt sich selbst“ ist ein Glaubenssatz, der sich auch heute hartnäckig hält. Wer sieht, wie beliebt Audioguides in Museen sind, bekommt allerdings den Eindruck, der durchschnittliche Kunstbetrachter empfindet doch ganz anders.
Für mich ist Kunst eine Kommunikationsform, die auf einer anderen Ebene stattfindet als die der Worte. Dichterfürst Goethe hat es so formuliert: „Kunst ist die Vermittlerin des Unaussprechlichen!“
Und doch kann sie gewinnen durch Worte. Was habe ich nicht schon für interessante Gespräche vor Kunstwerken geführt, den eigenen und denen anderer! Betrachter haben Dinge in meinen Bildern gesehen, die ich zumindest nicht wissentlich eingebaut hatte!
In diesem Jahr habe ich zwei Bücher des amerikanischen Autors, Zeichners und originellen Denkers Austin Kleon gelesen. Das erste „Steal like an Artist“/ „Klau wie ein Künstler“ dreht sich unter anderem darum, dass kein Künstler im luftleeren Raum existiert, sondern Einflüsse um sich herum geradezu einatmet und diese ihren Weg in sein Schaffen finden. Das war noch nie anders, außer vielleicht bei den aller-allerersten Bildschaffenden der Geschichte, aber so weit gehen wir heute in der Kunstgeschichte nicht zurück.
Das zweite Buch heißt „Show your Work“/„Zeig Deine Kunst/Mach deine Kunst sichtbar“ und zählt viele Möglichkeiten auf, die eigene Kunst der Welt näher zu bringen. Ein wichtiger Punkt ist dabei für Kleon, ich zitiere: „Worte haben Gewicht. Künstler wiederholen bis zur Ermüdung den Satz „Mein Werk spricht für sich selbst“, aber das stimmt nicht. Unser Werk spricht Nicht für sich selbst.“
Über unsere Kunst zu reden, kann helfen - und dazu zähle ich auch Berichte über den Prozess: die Punkte, wo man beinahe gescheitert wäre, die im virtuellen oder echten Papierkorb gelandeten Entwürfe, die Hindernisse unterwegs und wie schwer es manchmal ist, durchzuhalten, die Selbstzweifel, die die meisten von uns ununterbrochen begleiten, aber auch die Glücksmomente, den „Flow“, den Schmerz, wenn man sich von einem wichtigen Werk verabschieden muss, so stolz der Ankauf einen auch macht. Der Illustrator Saul Steinberg hat gesagt: „Was die Menschen an einem Werk anspricht, sind die Stellen, an denen der Künstler an seine Grenzen stößt!“.… „Menschen möchten den Prozess kennenlernen, nicht nur das Produkt, schreibt Austin Kleon. Der Erfolg des Erklärformats der „Sendung mit der Maus“ gibt ihm recht oder, etwas näher an unserem Thema: der Erfolg von Künstlerbiografien gibt ihm recht! Auch wenn die Stimmen nicht verstummen, die sagen, das Leben eines Künstlers spiele absolut keine Rolle, um sein Werk zu verstehen, wage ich zumindest für mich an dieser Stelle zu widersprechen.
Über unsere Kunst zu reden also kann helfen, Blockaden in den nonverbalen Kommunikationskanälen auszuräumen, den Weg frei zu machen, so dass Betrachter ihren ureigenen Zugang finden können.
Das kann ein sehr befriedigende Angelegenheit sein. Ich habe meinen Kanal, über Kunst zu reden, u.a. in den sozialen Netzwerken gefunden. Das ist beileibe nicht jedermanns und auch nicht jederfraus Sache und ich will niemand dahin drängen. Für mich ist das Erzählen über Kunst und ihre Entstehung auf Instagram und Co allerdings zu einer Form der Selbstreflexion geworden mit dem Bonus-Feature, dass ich wertvolle und berührende Reaktionen aus einem sehr weiten Kreis von KunstliebhaberInnen bekomme.
Das Reden über Kunst kann selbstverständlich auch ganz analog passieren: bei den Aufsichten, die die meisten von uns gelegentlich in ihren Kunstvereinen führen, lohnt es sich, die Besucher anzusprechen, vor dem eigenen Werk oder vor dem eines Kollegen. Das kann zu tiefgründigen Unterhaltungen führen, die einen selbst wieder auf neue Spuren setzen. Wenn wir es schaffen, mit unserer Kunst und dem Reden darüber an die Gefühle der Menschen zu rühren, werden sie die Kunst höher schätzen. Dabei ist es wichtig, dass das Ende offen ist: der Raum für das Reflektieren und Empfinden des Betrachters muss ihm gegönnt werden. Das eigene Kunstschaffen tot zu erklären wäre wirklich kontraproduktiv. Auch ein Kunstwerk selbst kann schon zu viel erklären, in diese Falle tappe ich gerne. Das Geheimnis des Werks, Goethes „Unaussprechliches“, muss gewahrt werden.
Vor Jahren wurde in einem Seminar über soziale Netzwerke, das ich besucht habe, von uns gefordert , einen „Elevator Pitch“ zu formulieren. „Pitch“ ist so eine Art kleine Verkaufsrede und „Elevator“ der Aufzug. Die Aufgabe war also, eine Beschreibung der beruflichen Tätigkeit und der eigenen Art des Kunstschaffens zu formulieren, die ungefähr die Dauer einer Fahrt von fünf Stockwerken hat. Wenn mich also im Erdgeschoss jemand fragt, was ich beruflich so mache, sollte er, im fünften Stockwerk angekommen, eine klarere Vorstellung davon haben.
Das ist eine unerwartet kniffelige Aufgabe, wenn Sie noch nie davon gehört haben, probieren Sie es aus!
Ich formuliere immer wieder daran herum, da sich ja auch die Prioritäten über die Jahre verschieben - und komme doch wieder ins Stottern, wenn mir jemand Fremdes unerwartet diese Frage stellt.
Die Selbsterkenntnis, oder die Erkenntnis unserer Kernkompetenzen, die sich durch das Formulieren eines solchen Textes einstellt, ist ganz nebenbei nicht hoch genug einzuschätzen!
Denn eine so kurze Erklärung zwingt nämlich dazu, den Wesenskern meines Schaffens zu kennen und aussprechen zu können.
Was möchte ich Ihnen jetzt mit diesem Mäandern durch meine Gedanken mitgeben?
Kunst ist Kommunikation und stellt Beziehung her und wie jede Form der Beziehung macht Kommunikation Arbeit, erfordert Offenheit und die Bereitschaft, auch etwas zum eigenen Werk zu hören. Generationen von jungen KunststudentInnen, die tief verletzt, teils in Tränen aufgelöst, aus einer Klassenbesprechung gestürmt sind, könnten eine Geschichte davon erzählen, wie nah am eigenen Ich unsere Werke liegen. Ehrlich über sie zu reden, macht verletzlich. Aber es öffnet auch Türen zu absolut bewusstseinserweiternden Gesprächen und hält uns damit davon ab, zu verknöchern und uns mit dem eigenen Status Quo zufrieden zu geben. An dieser Stelle möchte ich eine Lanze brechen für den ehrlichen Austausch unter Künstlern und Künstlerinnen. Es bringt mir weit mehr, wenn mich ein Kollege liebevoll auf eine Schwachstelle aufmerksam macht, als wenn ich nur bewundernde Worte höre.
Picasso hat sich, sobald er eine Technik gemeistert hatte, einer neuen zugewandt, um nicht stehen zu bleiben. So kommen wir in den Genuss seiner „Perioden“.
Die Sängerin und Songwriterin Joni Mitchell sagteüber ihr Arbeiten, dass das schwächste Glied in ihrem letzten Projekt der Anlass für das nächste sei.
Und mein Professor Hans Peter Reuter meinte uns Studenten gegenüber, er sei zwar mit der Mission unterwegs, das perfekte Bild zu malen, fürchte diesen Moment aber auch: denn welchen Anlass gäbe es dann, das nächste in Angriff zu nehmen?
In diesem Sinne und mein roter Faden war sozusagen: „Erschaffe Gutes und rede darüber!“ wünsche ich Ihnen wunderbare Gespräche neben Ihren Werken, die kleinen Fehler im Werk, die es erlauben, das nächste zu erschaffen, stets Aufbruch zu neuen Ufern und heute einen wunderschönen, festlichen Abend! Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!